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DEEP DIVE MENSCHENRECHTE

Menschenrechte sind die grundlegenden Rechte, die jedem Menschen auf der ganzen Welt zustehen. Dies gilt ohne irgendeinen Unterschied aufgrund von „Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948, Artikel 2).

Universelle Menschenrechte umfassen

  • die Rechte aus der Internationalen Charta der Menschenrechte (bestehend aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte),
  • die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention,
  • die Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
  • die Rechte aus der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit inklusive der acht ILO-Kernarbeitsnormen
  • und die Rechte aus anderen relevanten internationalen Menschenrechtsabkommen wie beispielsweise die UN-Kinderrechtskonvention, die UN-Behindertenrechtskonvention oder die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.

Menschenrechtsrisiken bei Sportveranstaltungen in Deutschland – gibt es die überhaupt?

Willkürliche Verhaftungen, Folter, Ausbeutung, keine freie Presse – was in manchen Ländern Alltag ist, gibt es in Deutschland so nicht. Die in der Verfassung verankerten Grundrechte, welche die universellen Menschenrechte mit einbinden, werden vom Staat geschützt. Er sorgt auch dafür, dass Dritte – Unternehmen, Verbände, Einzelpersonen – die fundamentalen Rechte der Menschen achten. Aber das gelingt nicht immer. So kann das Ignorieren von Sicherheitsvorschriften das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährden, Rassismus und Diskriminierung Menschen beeinträchtigen und erniedrigen, sexueller Missbrauch Menschen verletzen und traumatisieren. Dies sind nur einige Beispiele von Risiken, die auch bei Sportveranstaltungen in Deutschland eine Rolle spielen können. 

Um Schaden von potenziell Betroffenen (z. B. Besuchende, Sportlerinnen und Sportler, Mitarbeitende oder Anwohnende) abzuwenden und zugleich die für eine Veranstaltung Verantwortlichen im Haupt- und Ehrenamt vor möglichen Haftungsfolgen zu bewahren, ist es eine Voraussetzung, Risiken vorab systematisch zu analysieren und angemessen mit ihnen umzugehen. 

Menschenrechtsrisiken bei jeder Sportveranstaltung

Es gibt keine Sportveranstaltung ohne Menschenrechtsrisiken. Rassismus und interpersonale Gewalt können überall auftreten. Risiken sind nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere auch nicht (nur) von der Größe einer Sportveranstaltung abhängig. Zwar gibt es beim Kinderspielfest eher keine Massenpanik, eine Fehleinschätzung des Blitzrisikos bei einem nahenden Gewitter kann jedoch verheerende Folgen haben. Bei jeder Sportveranstaltung bestehen andere Risiken. Es kommt dabei auf die Art der Veranstaltung sowie die konkreten Umstände vor Ort an.

Die gute Nachricht ist: Alle Sportveranstalter haben bisher schon Menschenrechtsrisiken berücksichtigt, nur meist nicht unter dieser Überschrift und v. a. nicht systematisch. Niemand fängt bei null an.  Es geht vielmehr darum, Risiken vollständig zu erfassen, sie richtig einzuschätzen, Lücken bei der Prävention zu erkennen und diese gezielt zu schließen.

Menschenrechtliche Risikobereiche bei Sportveranstaltungen in Deutschland 

Jeder Sportveranstalter sollte eine individuelle Risikoanalyse durchführen, um die relevanten Menschenrechtsrisiken einer Sportveranstaltung zu identifizieren (detaillierte Infos befinden sich im Steuerungsbereich Menschenrechte). Ein wesentlicher Bestandteil ist dabei die Berücksichtigung der Perspektive von potenziell Betroffenen, u.a. Sportlerinnen und Sportlern, Mitarbeitenden, freiwillig Engagierten, lokaler Bevölkerung oder sonstigen von der Veranstaltung in ihren Rechten berührten Menschen. 

Typische Risiken bei Sportveranstaltungen lassen sich in verschiedene Bereiche clustern. Die folgende Kategorisierung ist keineswegs abschließend, kann aber als Hilfestellung und zur Orientierung bei der Identifikation von Menschenrechtsrisiken bei Sportveranstaltungen dienen.

Kategorisierung menschenrechtlicher Risikobereiche

Risiken wie: 

  • Massenpanik 
  • Hitze und Unwetter 
  • Terroranschlag
  • Pandemie

Risiken wie: 

  • Bezahlung unter Mindestlohn 
  • zu lange Arbeitszeiten
  • prekäre Arbeitsverhältnisse und informelle Beschäftigung beim Veranstalter und in der Lieferkette
  • Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit

Risiken wie:

  • Rassismus 
  • Antisemitismus 
  • Islamophobie
  • Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
  • Diskriminierung von Menschen mit Behinderung

Risiken wie:

  • sexualisierte Gewalt
  • Belästigung
  • Lärm/Trunkenheit im öffentlichen Raum
  • Schlägerei
  • Hatespeech/Onlinegewalt

Risiken wie:

  • lange Wege für Mobilitätseingeschränkte
  • komplexe Sprache
  • unpassend für Kinder, fehlende Wickelmöglichkeiten
  • hohe Ticketpreise

Risiken wie: 

  • Zugangsbeschränkungen für Medienvertreterinnen und -vertreter
  • Verweigerung der Einreise (Visa)
  • Einschränkung der Meinungsäußerungen von Sportlerinnen und Sportlern sowie von Besuchenden

Risiken wie: 

  • Datenmissbrauch am persönlichen Bild 
  • Datenmissbrauch von personenbezogenen Informationen 
  • unangemessene Überwachung ohne Einwilligung 

Verantwortung für Menschenrechte wahrnehmen – wie geht das?

Als Instrument für die Bewältigung menschenrechtlicher Risiken haben die Vereinten Nationen 2011 die "UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte" (UN-Leitprinzipien) beschlossen. Sie betonen die Aufgabe der Staaten, Menschenrechte zu schützen. Darüber hinaus nehmen sie aber auch Unternehmen in die Pflicht, ihrerseits Menschenrechte im Rahmen ihrer Tätigkeit zu achten. Der organisierte Sport greift dies zunehmend auf: In Deutschland hat der DFB dies als erster Verband durch eine Menschenrechtspolicy getan. Inzwischen arbeitet auch der DOSB auf einer solchen Grundlage. Auch andere, wie der Deutsche Lacrosse-Verband (DLaxV), richten ihr Verbandshandeln entsprechend aus.

Die UN-Leitprinzipien definieren, wie weit die Verantwortung eines Unternehmens oder einer Organisation in Bezug auf die Menschenrechte geht und geben einen Prozessrahmen zum Umgang mit Menschenrechtsrisiken vor. 

Menschenrechtliche Verantwortung von Sportveranstaltern 

Auf Grundlage der UN-Leitprinzipien sind Sportveranstaltungen verantwortlich für 

  • Menschenrechtsverletzungen, die sie selbst verursachen (z. B. Bezahlung unter Mindestlohn für die eigenen Mitarbeitenden, Duldung von Diskriminierungen, Nichtbeseitigung der Unfallgefahr auf dem Sportveranstaltungsgelände; Wettkampfzeiten, die extremen Wetterbedingungen wie Hitze oder Gewitter ignorieren)

  • Menschenrechtsverletzungen, mit denen sie direkt verbunden sind (z. B. Vertrag mit einem Reinigungsunternehmen, das keinen Mindestlohn zahlt, Sicherheitsunternehmen diskriminiert Zuschauer nach Aussehen oder der Vertragspartner hält Unfallverhütungsvorschriften nicht ein)

Für beide Konstellationen verlangen die UN-Leitprinzipien von Unternehmen, die Risiken vorab zu identifizieren und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Diese wären bei den o. g. Beispielen folgende:

  • Zahlung Mindestlohn an eigenes Personal sicherstellen, Diskriminierungen vorgreifen und Unfallgefahren auf Gelände beseitigen

  • Vertragspartner verpflichten, Mindestlohn zu zahlen, Diskriminierungen zu vermeiden und Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten

Wenn trotzdem eine Menschenrechtsverletzung erfolgt, muss der Veranstalter Abhilfe leisten, d. h. die Verletzung – falls sie fortdauert – stoppen und ggf. Wiedergutmachung (restliche Lohnzahlung, Schadensersatz, Schmerzensgeld) leisten bzw. dafür sorgen, dass der Vertragspartner seinen entsprechenden Verpflichtungen nachkommt.

Darüber hinaus können Sportveranstaltungen auch für Verbesserungen außerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereiches sorgen, indem sie ein positives Beispiel setzen und dies durch andere nachgeahmt wird („Hebelwirkung").

Ablauf kurz und knapp

Um als Sportveranstalter Menschrechte zu achten und der eigenen Verantwortung gerecht zu werden, gibt es einen festgelegten Ablauf, der vereinfacht in folgende Schritte gegliedert werden kann:

  1. Formulierung und Veröffentlichung eines Bekenntnisses zur Achtung von Menschenrechten

  2. Identifizierung tatsächlicher bzw. potenzieller Risiken und Aufbau von Reportingmechanismen 

  3. Erarbeitung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen auf der Basis der Risikoanalyse

  4. Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen sichern (Verletzungen identifizieren, stoppen, wiedergutmachen)

  5. Berichten und monitoren 

Hier geht es zum detaillierten Steuerungbereich Menschenrechte 

Wie lässt sich der Menschenrechtsansatz mit dem Nachhaltigkeitsansatz verbinden?

Der Menschenrechtsansatz ist ein systematischer, risikobasierter Ansatz mit klaren Abläufen, der mit dem Ziel, menschenrechtliche Risiken zu minimieren, zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet. Daher ist grundsätzlich neben dem Nachhaltigkeitsprozess ein weiterer Menschenrechtsprozess erforderlich. Es wird empfohlen, diesen Menschenrechtsprozess von Anfang an in den Gesamtprozess des Nachhaltigkeitsmanagements bei Sportveranstaltungen zu integrieren und die in beiden Prozessen ausgearbeiteten Maßnahmen aufeinander abzustimmen.  Die Kombination der Maßnahmen aus dem Nachhaltigkeitsansatz und Menschenrechtsansatz ergibt somit die Gesamtmaßnahmen. Die beiden Ansätze können sich in Teilbereichen überschneiden, sodass sich einzelne Maßnahmen aus beiden Prozessen ergeben. Als Beispiel kann eine Maßnahme aus dem Handlungsfeld Vielfalt und Teilhabe angeführt werden: Die Maßnahme "Anlaufstelle für Diskriminierungsvorfälle" kann ein Ergebnis aus beiden Prozessen sein. Für einen detaillierten Ablauf eines idealtypischen Gesamtprozesses wird auf das NSGV-Tool "Planungstool" verwiesen.